Sonnenuntergang in Finnland

Sonnenuntergang in Finnland

Mittwoch, 11. April 2018

Alte Gedanken

Es ist lange her seit dieser Blog das letzte Mal Aufmerksamkeit erhalten hat. Aber ich weiß nie so wirklich, was ich schreiben soll. Ich habe nicht das Gefühl, dass es überhaupt jemanden interessiert. Das meiste, was ich schreibe ist vermutlich sowieso für den Großteil der Leser belanglos. Es sind einfach Dinge, die ich erlebt habe.
Okay, diese Einleitung war so auch nicht geplant. Aber meine Gedanken gehen nun mal ihren eigenen Weg.
Gerade saß ich noch im Zug auf dem Weg nach Hause und hatte mein Buch ausgelesen. Also saß ich da so und starrte aus dem Fenster. Ich weiß nicht, wieso ich auf dieses Thema gekommen bin, aber es war auf einmal einfach da.


Ich stellte mir die Frage, ob ich überhaupt fähig bin zu lieben. Oder andere extreme Gefühle wie Zorn zu empfinden. Tatsächlich kann ich mich an kein Ereignis erinnern, wo ich wirklich zornig war. Enttäuscht ja, aber nicht zornig.
Ich suchte nach einer Antwort, wieso das so war. Dabei kam mir meine Schulzeit in den Sinn. Zumindest die auf der weiterführenden Schule, in meinem Fall ein Gymnasium.
Dort wurde ich gemobbt, seit mindestens der sechsten Klasse, vielleicht auch schon in der fünften. Meine Erinnerungen daran sind nicht wirklich vorhanden.
Mit diesem Thema kam unweigerlich die Frage, warum wurde ich gemobbt?

Darüber habe ich schon öfter nachgedacht und immer wieder kamen die gleichen Dinge dabei heraus. Ich bin introvertiert und zu dem Zeitpunkt war ich auch noch schüchtern. Also gab ich von vorneherein sowieso ein gutes Ziel ab.
Dann kam hinzu, dass mir mein Aussehen recht wenig bedeutete. Auch an meine Kleidung stellte ich nur die Anforderung, dass sie bequem und praktisch sein musste. Ich trug keine Markenkleidung, hatte keine Probleme damit dreckig zu werden. Ich mochte Star Wars, Science Fiction generell, interessierte mich keinen Deut für Jungs. Ich schminkte mich nicht, trug anfangs keine Bhs, einfach weil ich flach war wie ein Brett und immer noch nicht viel habe, ich schrieb. Ich hatte Gedanken, die meine Mitschüler nicht verstanden. Vermutlich hat das alles mithineingespielt.
Von Freundinnen weiß ich, dass sie auch gemobbt wurden, tatsächlich sogar physisch. Bei mir war alles mit verbal, worüber ich im Nachhinein froh bin. Es hätte schlimmer sein können als es sowieso schon war.
Das Mobbing hörte erst während der zehnten Klasse auf, als ich irgendwie zu der Einstellung gelangte, dass es nichts falsches daran gibt, anders zu sein. Ich war einfach nur ich, war es schon immer gewesen und dafür wurde ich verurteilt.

Es heißt immer, wenn man mal arbeitet, dann sehnt man sich nach der Schulzeit zurück. Ich studiere mittlerweile im zehnten Semester und arbeite seit zwei Jahren als studentische Hilfskraft. Meine Schulzeit sehne ich mir kein bisschen zurück.
Das Mobbing wird dazu geführt haben, dass ich heute so bin wie ich bin. Ich rechne damit, dass man mich wieder nur benutzt oder beim nächstmöglichen Zeitpunkt fallen lässt. Ich versuche keine zu starken Bindungen einzugehen. Es ist ein Selbtschutz, der mich aber auch öfter hemmt. Ich habe Probleme Leuten vollends zu vertrauen. Tatsächlich habe ich nie mit jemandem darüber großartig gesprochen, dass ich gemobbt wurde. Meine Eltern wissen es nicht. Meine schlechten Schulnoten (mündliche Mitarbeit ist für schüchterne und introvertierte so ein blödes Konzept) waren für sie schon Sorge genug, da wollte ich sie nicht noch mit etwas belästigen, was einige vermutlich als belanglos und übliche Sticheleien abtun würden.

In letzter Zeit denke ich aber tatsächlich öfter darüber nach. Dann entstehen diese ganzen Wenns in meinem Kopf. Dinge, die ich sowieso nicht mehr ändern kann.
Ich habe das Mobbing die meiste Zeit ignoriert, es ausgeblendet. Bis mich eine ehemalige Freundin fragte: Du weißt schon, dass du gemobbt wirst?
Sie wusste genau, was Sache war, bekam alles mit und doch tat sie nichts um mir zu helfen. Es hatte vorher schon mit ihr Situationen gegeben, die das Vertrauen sowieso schon bröckelig gemacht hatten.
Einmal hatte ich mich mit ihr und einigen anderen zu einem Filmabend verabredet. Dieses Mal sollte er bei mir stattfinden. Also alles schön vorbereitet und dann gewartet. Um die vereinbarte Uhrzeit war niemand da. Auch eine halbe Stunde später noch nicht. Irgendwann rief ich bei ihr an, um zu erfahren, dass alle bei ihr abgesagt hatten und es keiner für nötig empfunden hatte mich zu informieren.
Ein, zwei weiterer solcher Situationen erlebte ich noch, danach waren diese Personen für mich Geschichte. Ich wollte nichts mehr mit ihnen zu tun haben.

Vermutlich ein Grund, warum ich Leuten Bescheid sage, auch wenn ich nur wenige Minuten zu spät komme. Ich möchte nicht, dass jemand anders sich so fühlen muss, wie ich mich damals.

Ein anderes Ereignis ist mir aber tatsächlich noch prägnanter im Kopf. Es war in der achten oder neunten Klasse im Bio-Sport Kurs, meinem Wahlpflichtkurs. Wir hatten einen Reck aufgebaut, mit der Stange so weit unten wie möglich. Alles war mit Weichbodenmatten ausgelegt. Im oberen Teil des Recks war noch ein Seil gespannt. Unsere Aufgabe war es mit Hilfestellung einen Handtstand auf der Stange zu machen. An sich keine schwierige Aufgabe. Der Lehrer bestimmte den Helfer und mir war von vorneherein klar, was passieren würde.
Bei allen arbeitete er zuverlässig und half aus. Dann musste der Lehrer kurz weg, während ich an der Reihe war.
Er ließ mich fallen. Und wenn ich es nicht vorher gewusst hätte, dann hätte ich mir sehr wahrscheinlich wehgetan. So konnte ich über die Schulter abrollen und kam nicht zu schaden. Der Junge lachte mich sogar noch aus, nicht laut, aber er war sichtlich darüber amüsiert. Ich beachtete ihn nicht weiter. Ich hatte gewusst, was kommen würde und war vorbereitet gewesen.

Das zeigt eigentlich schon sehr deutlich, wie sehr mein Vertrauen überhaupt schon kaputt war. Und vermutlich war ich damals überhaupt sehr viel kaputter als ich selbst weiß. Wann immer auch das Thema Mobbing bei uns an der Schule aufkam, hieß es nur: Das gibt es bei uns nicht.
Meine Klasse wurde auch gerne als die mit dem besten Klassenzusammenhalt beschrieben. Etwas, was ich gar nicht nachvollziehen kann. Vielleicht mochte es auf die Lehrer so wirken, aber wir waren im Endeffekt lauter kleine Grüppchen, die mit den anderen nichts zu tun haben wollten. Es gab auch ein Zwillingspaar in meiner Klasse, das mit einem Jungen befreundet war. Mit dem zusammen haben die ständig über alle möglichen Leute gelästert. Sobald der Junge, dann zu seinen Freunden ging, finden die Zwillinge an, über ihn zu lästern. Das taten sie aber nicht nur bei ihm, auch bei etlichen anderen aus der Klasse.

Mit einer von denen hab ich mich mal in Chemie angelegt. Die Plätze wurden vom Lehrer verteilt und ich saß neben der Quasseltante. Da ich von vorherigen Kursen schon wusste, dass es nichts brachte, sie zu bitten, doch etwas leiser zu sein oder ganz aufhören zu reden, ging ich direkt zum Lehrer und bekam einen neuen Platz. Besagte Person kam dann auf einmal zu mir und wollte wissen, was das denn solle und machte generell einen auf gute Freundin. Sie war mir egal, von daher sagte ich ihr die Meinung, was sie sichtlich aus dem Konzept brachte. Ich mochte Chemie und wollte etwas lernen und weil sie ja zu blöd war, um die Zusammenhänge zu verstehen und sich deshalb mit reden beschäftigte, sollte also meine Leistung leiden? Ich glaube, ich habe noch nie einen bösereren Blick bei einer Person gesehen. Aber ich hatte dann meine Ruhe. Und es hatte gut getan.

Weil ich weiter oben auch erwähnte, dass ich Gedanken hatte, die meine Mitschüler nicht nachvollziehen konnte: Mein Religionslehrer las einmal eine Hausaufgabe von mir vor der Klasse vor. Ich freute mich, dass er die Hausaufgabe für so gut hielt. Leider weiß ich gerade nicht mehr, was das Thema war. Auf jeden Fall hatten wir recht freie Hand und so war eine kleine Geschichte entstanden. Nach der Stunde kamen dann einige Mitschüler zu mir und fragten, wie man auf so etwas komme. Ich konnte sie nur verständnislos angucken und eher fragen als antworten: Nachdenken. Verdutzte Blicke waren die Reaktion. Aber was hatte ich erwartet von Leuten, die sich darüber profilieren, dass sie andere fertig machen?

Ich habe keine Ahnung, wohin dieser Text führt, oder was die Grundaussage davon ist. Ich hatte einfach das Bedürfnis es niederzuschreiben.
Tatsächlich fühle ich mich gerade wie Jacen Solo aus den Star Wars Legends Büchern. Ins Besondere in der ‚Das Erbe der Jedi-Ritter‘ Reihe ist er auf der Suche nach sich selbst. Er weiß noch nicht, was er von sich erwartet oder wie er sein will. In letzter Zeit habe ich mich selbst häufiger so gefühlt. Als hätte ich mich noch nicht gänzlich gefunden. Wer weiß, wie lange ich noch brauchen werde. Wer weiß, wohin mich mein Weg führt.
Ich weiß nur, er wird mich verändern.

3 Kommentare:

  1. *schickt Flausch* Menschen sind ätzend. Die meisten zumindest. Ich hoffe jedenfalls, dass du auf deinem Weg Erfolg hast und falls du dich irgendwo über irgendwas auskotzen willst, ich bin da :3

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    1. Danke dir :3
      Zum Glück hab ich so ätzende Leute nicht mehr im Studium. Es war eigentlich wirklich nur die Schulzeit.

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  2. Das lässt bei mir auch Erinnerungen aufleben. Interessant, dass es bei eurer Klasse auch hieß, dass sie so einen tollen Zusammenhalt hätte. Das war bei meiner Klasse auch der Fall und wir hatten so drei, vier Opfer (ich eins davon).
    Gott, ich bin so froh, dass meine neue Klasse besser ist.

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